23.05.2025
Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei stellen – das haben die Koalitionspartner angekündigt. Ziel ist es, mehr Menschen zu freiwilliger Mehrarbeit zu motivieren. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) unterstützt das Ziel, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die konkrete Maßnahme sieht er aber kritisch.
Die Bundesregierung wolle Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei stellen. Die Regelung solle greifen, wenn Beschäftigte über die tariflich vereinbarte oder daran orientierte Vollzeitarbeit hinaus tätig sind. Als Vollzeit gölten mindestens 34 Wochenstunden bei Tarifbindung und 40 Stunden bei nicht tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen. Die Maßnahme soll gemeinsam mit den Sozialpartnern ausgestaltet werden. Der DStV begrüßt zwar grundsätzlich den politischen Willen, zusätzliche Arbeit zu belohnen. Gleichzeitig stellten sich aber viele Fragen.
In der Praxis würden Überstunden oft nicht vergütet, sondern durch Freizeit ausgeglichen. Auch Tarifverträge schrieben vor, dass Mehrarbeit auf Arbeitszeitkonten eingestellt wird. Solche Arbeitszeitkonten würden von vielen Beschäftigten und Unternehmen – unabhängig von Branche und Größe - genutzt. Damit erhielten sie zeitliche Flexibilität – auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Würden Zuschläge für Mehrarbeit steuerlich begünstigt, könnten Arbeitgeber unter Druck geraten, Überstunden sofort auszubezahlen, meint der DStV. Das gefährde den Bestand bewährter Arbeitszeitkonten. Das wäre darüber hinaus ein tiefer Eingriff in betriebliche Abläufe. Fehlen diese Überstunden, könnte es bei kurzfristigen Auftragsschwankungen auch deutlich schneller zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit kommen.
Ein weiteres Risiko: Tarifvertragsparteien könnten die Wochenarbeitszeit gezielt absenken – etwa auf 34 Stunden. Wer dann weiter 38 oder 40 Stunden arbeitet, könnte zusätzlich zum Entgelt abgabenfreie Zuschläge für die weiteren vier bis sechs Stunden erhalten, ohne echte Mehrarbeit zu leisten. Auf diese Weise ließen sich Nettolöhne erhöhen, ohne das Arbeitsvolumen auszubauen. Das unterlaufe das Ziel der Regelung.
In vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und den Freien Berufen gölten meist 40 Stunden pro Woche als reguläre Arbeitszeit. Für sie existierten in der Regel keine Tarifverträge. Die Grenze für begünstigte Mehrarbeit liege damit bei ihnen höher als in tarifgebundenen Bereichen. Damit würden Beschäftigte dort seltener in den Genuss steuerfreier Zuschläge kommen, gibt der DStV zu bedenken. Dadurch entstehe ein deutlicher Wettbewerbsnachteil beim Halten und Gewinnen von Fachkräften.
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage sei darüber hinaus fraglich, ob die Maßnahme geeignet ist, Mehrarbeit wirksam anzureizen. Viele KMU dürften gegenwärtig finanziell kaum in der Lage sein, neben dem Überstundenentgelt zusätzlich steuerfreie Zuschläge zu zahlen. Soweit sich nur große Unternehmen Zuschläge für Mehrarbeit leisten können, verschärfe sich der Wettbewerbsnachteil zu Lasten der KMU. Doch selbst in großen Unternehmen könnten Zuschläge aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf ausgewählte Beschäftigte begrenzt werden. Insofern erscheint dem Steuerberaterverband die Steuerfreiheit der Zuschläge eher in wirtschaftlichen Aufschwungphasen ein wirksames Instrument zu sein.
Die geplante Regelung werfe grundlegende Anwendungsfragen auf, meint der DStV: Wann beginnt eine Überstunde, für die zusätzlich zum Entgelt ein steuerfreier Zuschlag gezahlt werden kann? Ab der ersten Minute oder erst nach einer bestimmten Zeitgrenze? Müssen diese Überstunden angeordnet sein? Was gilt bei flexiblen Arbeitszeitmodellen oder bei mehreren Teilzeitjobs, die zusammen über 40 Stunden hinausgehen? Greift die Steuerfreiheit der Zuschläge auf das Entgelt für geleistete Überstunden auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH? Ohne klare Regeln drohten Rechtsunsicherheiten. Zugleich steige der bürokratische Aufwand. Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten exakt dokumentieren. Gerade kleinere Unternehmen wären dadurch stark belastet.
Deutscher Steuerberaterverband e.V., PM vom 22.05.2025